Berliner Wahlprüfsteine zum Filmen von Polizeieinsätzen (20. Januar 2023)


Sehr geehrte Mitglieder*innen des Innenausschusses,

wir sind ein Bündnis von derzeit 14 Gruppen aus Berlin und haben vor zwei Jahren eine Kampagne gegen die Kriminalisierung des Filmens von Polizeieinsätzen ins Leben gerufen. Sowohl Zeug*innen als auch Betroffene von polizeilichen Maßnahmen werden in vielen Fällen daran gehindert, Videoaufnahmen von möglicherweise gewaltvollen und/ oder rassistischen Maßnahmen anzufertigen.

Dagegen hat die Polizei anfangs das Urheberrecht angeführt, wonach das Recht von Beamt*innen auf das eigene Bild verletzt würde. Das Filmen dient jedoch nicht grundsätzlich zum öffentlich machen, sondern zur Dokumentation für die spätere (auch juristische) Aufarbeitung.

Seit einiger Zeit verweist die Polizei auch auf den § 201 StGB, der die Verletzung der Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes regelt. Demnach soll schon das Aufnehmen polizeilicher Maßnahmen durch ein Mobiltelefon, das in der Regel auch eine Tonspur enthält, strafbar sein.

Zwei Oberlandesgerichte haben jedoch geurteilt, dass dieser sogenannte „Abhörparagraf“ allenfalls in einer sehr eingeschränkten Anzahl von Fällen anwendbar wäre. Laut einem Beschluss des OLG Zweibrücken sei zwar im vorliegenden Fall das Filmen eines Polizeieinsatzes gegen einen sehr begrenzten Kreis rechtswidrig gewesen, auf grundsätzlich klärende Aussagen zur Rechtsfrage wurde jedoch verzichtet (Az. 1 0LG 2 Ss 62/21).

Noch zurückhaltender fiel eine (zu dem Thema bislang zweite) Entscheidung des OLG Düsseldorf aus (Az. 3 RVs 28/22). Demnach müssen Beamt*innen der Polizei immer damit rechnen, dass ihre Worte zur Kenntnis der Öffentlichkeit gelangen. Dies mache ihre Worte zu „öffentlichen“, und zwar auch dann, wenn sich die Polizei nur an einen begrenzten Kreis wendet.

Die Polizei und schließlich auch beide Urteile sorgen weiter für eine massive Rechtsunsicherheit. Hier setzen wir mit unserer Kampagne an.

Wir fordern die Entkriminalisierung des Filmens von polizeilichen Maßnahmen. In einem demokratischen Rechtsstaat muss es für die Bürger*innen die Möglichkeit geben, rechtswidriges Polizeiverhalten zu dokumentieren. Nur so kann die Polizei in ihrer Arbeit kontrolliert und rechenschaftspflichtig gemacht werden. Siehe dazu ausführlicher unseren Offenen Brief vom vergangenen November: https://www.gofilmthepolice.de.

Wir bitte Sie deshalb, uns Ihre Position zur Frage der „faktischen Öffentlichkeit“ von Polizeieinsätzen zu erläutern.

  • Werden Sie sich dafür einsetzen, entsprechende Bild- oder Videoaufnahmen durch Zeug*innen und Betroffene zu entkriminalisieren?
  • Werden Sie uns dabei unterstützen, die Konfiszierung von Handys und/ oder die Löschung von Videoaufnahmen durch die Polizei zu verbieten?

Wir würden uns freuen, wenn Sie und Ihre Fraktion sich dafür einsetzen, dass der Berliner Senat eine entsprechende Gesetzesinitiative im Bundesrat erwirkt. Über eine Antwort noch vor der Wiederholungs-Wahl des Abgeordnetenhauses Berlin freuen wir uns sehr.

Mit freundlichen Grüßen

Die Kampagne “Go film the Police”