Go Film the Police Guide – Deutsch


Leitfaden zum Filmen von Polizeigewalt

[letztes Update: Februar 2023]

In diesem Leitfaden befassen wir uns spezifisch mit dem Filmen von Polizeigewalt. Polizeigewalt kann verschiedene Formen haben und unterschiedlich heftig sein. KOP hat einen Instagram-Post mit Tipps zum Thema “Was tun als Zeug*in von Polizeigewalt?” veröffentlicht, die natürlich auch zutreffen, wenn du filmst.

Was mache ich, wenn ich Zeug*in von Polizeigewalt werde?

Es ist wichtig, Polizeigewalt zu filmen und zu dokumentieren! Wenn Polizist*innen merken, dass sie gefilmt werden, ist die Wahrscheinlichkeit (etwas) höher, dass sie sich zumindest an die Vorschriften halten. Falls Menschen später versuchen, Polizist*innen für ihre Gewaltausübung (gerichtlich) zur Verantwortung zu ziehen, sind Videoaufnahmen ein wichtiges Beweismittel. Falschaussagen von Beteiligten (einschließlich der Polizei) werden damit im Idealfall deutlich erschwert.

Auch wenn andere Umherstehende bereits Aufnahmen machen, ist es eine gute Idee, auch selbst zu filmen. Je mehr Menschen eine Situation aus verschiedenen Perspektiven dokumentieren, desto besser kann sie im Nachhinein rekonstruiert werden. Außerdem: Je mehr Menschen filmen, desto schwerer wird es für die Polizei sein, Aufnahmen zu verhindern, selbst wenn sie es versuchen.

Oft versuchen Polizist*innen Menschen vom Filmen abzuhalten, mit (angeblich) legalen oder auch illegalen/ willkürlichen Mitteln. Sei dir der Risiken bewusst und versuche sowohl die Situation als auch deine Kapazitäten einzuschätzen, bevor du entscheidest, wie weit du gehen willst. (Wie Beamt*innen reagieren, kann sich von Situation zu Situation und von Person zu Person unterscheiden. Die Verhaltensmuster von Polizist*innen können auch nach Städten/ Bundesländern/ … variieren.)

Allgemeine Hinweise

  • Generell gilt: Du hast immer das Recht zu schweigen, auch wenn Polizist*innen (provokante) Fragen stellen. Mach keine Aussagen, die später gegen dich verwendet werden können – im Zweifelsfall nicht antworten! Du kannst dich danach immer noch mit Hilfe und Ratschlägen von Menschen, die sich mit dem Recht auskennen, verteidigen. Es hat keinerlei Vorteil, sich vor Ort zu rechtfertigen (zu versuchen). In dieser Broschüre gibt es mehr Infos über Aussageverweigerung und warum diese wichtig ist.
  • Wenn du auf einer Demo/ Kundgebung bist, habe bitte die Telefonnummer vom EA (Ermittlungsausschuss) bei dir (am besten nicht im Handy, für den Fall, dass dir das abgenommen wird oder du es verlierst) und informiere dich über deine Rechte in Versammlungs-Situationen. Hier sind ein paar Materialien dazu:
  • Achtung: Polizist*innen “beleidigen” ist in Deutschland eine Straftat (Fun Fact: In dem Gesetz geht es eigentlich nicht spezifisch um die Polizei – egal wen zu beleidigen wird als Straftat gewertet). Wenn du dir unsicher bist, informiere dich im Vorhinein was genau als Beleidigung gilt und was nicht. Zum Beispiel: Eine*n Polizist*in als Rassist*in zu bezeichnen wurde schon als Beleidigung gewertet. Eine bestimmte Handlung oder Aussage als rassistisch zu bezeichnen, ist sicherer. Menschen wurden auch schon verurteilt, weil sie “Du” statt “Sie” benutzt haben.

Darf ich filmen? Darf die Polizei von mir verlangen, mit dem Filmen aufzuhören?

  • Prinzipiell ist es nicht verboten, Personen (mit Video, ohne Ton) im öffentlichen Raum zu filmen.
  • Es gibt jedoch ein Gesetz, das Tonaufnahmen vom “vertraulich gesprochenen Wort” verbietet. Polizist*innen nutzen das, um Menschen, die sie aufgenommen haben, zu verklagen. Es gibt jedoch unterschiedliche Perspektiven darüber, ob Handlungen der Polizei als “privat” bezeichnet werden können oder nicht. Anwält*innen und sogar einige Menschen von der Polizei argumentieren, dass Aussagen von Polizeibeamt*innen im Dienst nicht als privat angesehen werden können, da sie während dem Dienst nicht in einer privaten Rolle tätig sind sondern eine öffentliche Einrichtung repräsentieren. Verschiedene Gerichte haben bisher von Fall zu Fall unterschiedlich darüber entschieden.
  • Verboten ist, die Polizeiarbeit zu “stören” oder sie zu “behindern”. Dies sind natürlich vage Begriffe, die Polizist*innen zu ihren Gunsten (falsch) auslegen können. Um auf der sicheren Seite zu sein, halte einen Abstand von etwa 6 Metern, das kann in der Regel nicht als Störung der Polizeiarbeit interpretiert werden.
  • Filme lieber keine individuellen Porträts von einzelnen Beamt*innen.
  • Beamt*innen berufen sich gerne auf ein Gesetz, das die Aufzeichnung des “vertraulich gesprochenen Wortes” verbietet (§ 201 StGB: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes), um Menschen wegzuschicken, Geräte zu beschlagnahmen und/ oder rechtliche Schritte gegen Personen einzuleiten, die sie gefilmt haben. Aber auch hier gilt: Wenn du etwas Abstand hältst, ist es unwahrscheinlicher, dass sie behaupten können, du hättest etwas aufgenommen, das nicht “öffentlich” ist.
  • Videos zu veröffentlichen kann Grund für eine strafrechtliche Verfolgung sein. Es gibt jedoch auch hier Situationen, in denen Videos trotzdem veröffentlicht werden können (siehe unten). Die Polizei wird dich vielleicht mit der Begründung, sie würden vermuten, dass du das Bildmaterial später öffentlich machen würdest, nach deinem Ausweis bzw. Personalien fragen. Das ist normalerweise eine Einschüchterungstaktik: manchmal “bieten sie an” dass du ihnen statt deinen Personalien das Video zeigen kannst (woraufhin sie dich jedoch evtl. auffordern das Video zu löschen oder dein Gerät beschlagnahmen). Normalerweise folgen aber keine Konsequenzen, wenn sie deine Personalien aufschreiben. (Wenn du konfrontativer sein willst, kannst du der Polizei antworten – um klarzustellen, dass du nicht beabsichtigst, das Video online zu veröffentlichen – dass du ihre Arbeit filmst, weil du rechtswidriges Verhalten vermutest das du anzeigen willst, oder du kannst auch einfach behaupten, dass du “für die Staatsanwaltschaft” filmst).
  • Du kannst immer behaupten, dass du eine*n Anwält*in anrufst oder es gleich tust – in manchen Fällen bringt das die Polizei zum Zögern, vor allem, wenn sie sich selbst nicht ganz sicher sind, ob ihr Handeln rechtmäßig ist (z. B. wenn es relativ unerfahrene Beamt*innen sind). Es ist immer gut, deine Rechte zu kennen und sie selbstbewusst kommunizieren zu können. Beamt*innen versuchen manchmal, Menschen einzuschüchtern oder zu verunsichern, indem sie falsche Sachen behaupten, z. B. dass etwas eine Straftat sei, wo es überhaupt nicht der Fall ist.

Wie und was genau sollte ich versuchen zu filmen?

  • Aufzeichnungen, die zeigen, wie sich die Situation entwickelt hat bevor es zur Gewaltanwendung der Polizist*innen kam, sind besonders wertvoll. Versuche möglichst schnell mit dem Filmen anzufangen, wenn du denkst, dass es eskalieren könnte. Oft werden Videos von Polizeigewalt vor Gericht nicht berücksichtigt weil die Beamt*innen behaupten, dass etwas vor dem Beginn des Videos passiert wäre, das die Anwendung von Gewalt “rechtfertigt” hätte. Sie können zum Beispiel behaupten, dass die betroffene Person sie attackiert habe oder versucht habe, sich oder eine andere verhaftete Person zu befreien.
  • Während du filmst ist es wichtig, den Fokus auf dem Geschehen zu behalten, aber es kann auch gut sein, breitere Blickwinkel zu zeigen, um die Umgebung identifizieren zu können (Denkmäler, Straßennahmen, Größe der umstehenden Menschenmenge). Dies kann später nützlich sein, wenn es darum geht, die Zeit, den Ort und den Kontext des Videos zu bestimmen/ zu verifizieren.
  • Wenn möglich, versuche die Kennzeichnungsnummer der Beamten oder andere Merkmale, mit denen sie identifiziert werden können, zu filmen.
  • Wenn die Geräusche in der gefilmten Situation nicht wichtig sind, kannst du während dem Filmen auch kommentieren was passiert. Dies kann auch ein guter Weg sein, so viel wie möglich an Details zu dokumentieren (einige Menschen finden das Kommentieren auch beruhigend in stressigen Situationen).
  • Tipp: Wenn es Gegenstände gibt (z. B. Tränengasbehälter oder von der Polizei benutzte Projektile, die liegen geblieben sind), die du auch filmen möchtest, z.B. weil sie in späteren Prozessen (vor Gericht oder bei Recherchen) von Bedeutung sein könnten, kannst du ein Alltagsobjekt – z. B. ein Feuerzeug, einen Stift oder ein Telefon – daneben legen. Dies hilft später dabei, dessen Größe und Dimensionen zu erkennen.

Was sollte ich beim Filmen möglichst nicht tun?

  • Achte beim Filmen bitte auf die Sicherheit und Privatsphäre anderer. Wenn es nicht sein muss, mach keine Aufnahmen von anderen, auf denen sie identifiziert werden können – vor allem nicht, wenn das, was sie auf dem Video tun, gegen sie verwendet werden könnte.
  • Überlege, was du filmst: Wer ist auf dem Bild zu sehen? Könnte irgendwer wegen dem Video rechtliche Probleme bekommen? Mach dir die Vor- und Nachteile (Gefährdung anderer) von dem Material, das du aufnimmst, bewusst. Wenn du etwas gefilmt hast, das andere Menschen abbildet oder ihnen womöglich Probleme bereiten könnte, sei besonders vorsichtig damit, wie und wo du die Dateien speicherst und teilst (siehe unten).

Kann die Polizei mir sagen, ich soll gehen?

  • Du darfst dich an öffentlichen Orten aufhalten, solange du die Arbeit der Polizei “nicht störst”. Wenn du einen Abstand von circa 6 Metern hältst und von dort aus filmst (z.B. mit Zoom), sollte die Polizei keinen Grund haben, dich wegzuschicken.
  • Wenn die Polizei dich nur auffordert zu gehen, kannst du einfach widersprechen. Wenn sie jedoch einen “Platzverweis” ausstellt, bist du gesetzlich verpflichtet zu gehen. Lass dir in diesem Fall den genauen Grund und konkrete Informationen geben (für wie lange und welchen Bereich der Platzverweis gilt – es muss so konkret sein, dass dir klar ist, wo du dich wann aufhalten darfst und wo nicht). Verlange die Begründung für den Platzverweis auch schriftlich, für den Fall, dass du ihn später rechtlich anfechten magst. (Außerdem ist es eine mögliche längerfristige kollektive Strategie, Beamt*innen immer so viel Papierkram zu verursachen, dass sie vielleicht mit manchen Sachen aufhören, weil sie zu faul sind, den dafür erforderlichen Papierkram zu erledigen). Wenn sie an Ort und Stelle keine Zeit haben, diesen zu schreiben, dann müssen sie es dir später zuschicken. Lass dir die Dienstnummer von der Person geben, damit du nachhaken kannst, falls du den Bescheid nicht zuschickt bekommst. Polizist*innen sind gesetzlich verpflichtet, ihre Dienstnummer zu nennen; wenn sie das nicht tun, kannst du verlangen, mit der*dem Einsatzleiter*in zu sprechen. (Wenn du Hilfe brauchst bei Schritten im Nachhinein wie z.B. beim Verfassen einer Beschwerde, kannst du dich an Organisationen wie KOP und ReachOut wenden).
  • Auch hier kannst du versuchen, eine*n Anwält*in einzuschalten oder damit zu drohen. In manchen Fällen kann das helfen, in anderen Fällen wird es keinen Unterschied machen.
  • Hinweis: Diese Vorschläge klingen vielleicht wie Erbsenzählerei, aber manchmal ist es wichtig, auf Rechte zu bestehen, die wir haben. Begründungen und Protokolle für solche polizeilichen Maßnahmen einzufordern kann vielleicht etwas dazu beitragen, willkürliche, unrechtmäßige Maßnahmen zu verhindern; und die juristische Verfolgung von rechtwidrigem Verhalten der Polizei, wo diese möglich ist, trägt hoffentlich dazu bei, Gewalt und Machtmissbrauch in der Zukunft einzuschränken.

Kann die Polizei von mir verlangen, das Video zu löschen?

  • Solange du keine Aufnahmen von Nahem von Gesichtern und/ oder “nicht-öffentlichen Gesprächen” gefilmt hast (siehe oben), haben Polizist*innen keine rechtliche Grundlage, um dich aufzufordern, Videos zu löschen.
  • Wenn Polizist*innen versuchen oder damit drohen, das Material zu löschen, kannst du sagen, dass du eine*n Anwält*in anrufst. Manchmal hält das Beamt*innen von rechtlich fragwürdigen Handlungen ab. Bei größeren Demonstrationen gibt es oft auch einen EA (Ermittlungsausschuss), den du versuchen kannst, anzurufen. Wenn du öfter mit der Polizei aneinander gerätst, ist es vielleicht sinnvoll, Kontakt zu einer*m Anwält*in zu haben, den*die du in solchen Situationen anrufen kannst. Gruppen und Organisationen wie die Rote Hilfe, KOP, … können bei der Suche nach solidarischen Anwält*innen helfen.

Kann die Polizei mein Telefon bzw. die Kamera, mit der ich gefilmt habe, beschlagnahmen?

  • Die Polizei kann dein Gerät beschlagnahmen, wenn sie darauf Beweise für eine Straftat vermutet (z. B. wenn das Video angeblich zeigt, wie jemand eine Person von der Polizei “beleidigt”). Wenn sie es beschlagnahmen (wollen), mache deutlich, dass du widersprichst/ nicht einverstanden bist. Bei Handys braucht die Polizei theoretisch einen dringenderen Grund um es zu beschlagnahmen, da diese als lebenswichtiges Mittel für den Alltag gesehen werden. Wenn es sich also nur um eine geringfügige Straftat handelt, von der die Polizist*innen glauben, dass sie auf dem Gerät aufgezeichnet wurde, kannst du im Nachhinein evtl. anfechten, dass es beschlagnahmt wurde, da es ein erheblicher Eingriff in deine Rechte und evtl. unverhältnismäßig ist.

Was tun, wenn mein Gerät beschlagnahmt wird?

  • Ausschalten!
  • Keine Zugangsdaten nennen! Polizist*innen haben keinerlei Recht, von dir Code/ Passwort/… zu verlangen, egal was sie behaupten! (Hinweis: Unter anderem wegen solchen Situationen ist empfehlenswert, das Handy nicht mit Fingerabdruck oder Face-ID zu entsperren, da Polizist*innen beides gegen deinen Willen nutzen können).
  • Verlange ein “Beschlagnahmungsprotokoll”.
  • Unterschreibe das Protokoll nicht!
  • Sobald du kannst, sperre von einem anderen Gerät aus den Zugriff vom beschlagnahmten Handy auf alle Apps, die du aus der Ferne abmelden kannst. Du kannst alternativ auch deine Passwörter ändern, wodurch zum Beispiel deine sozialen Medien automatisch auf dem Handy ausgeloggt werden, bis das neue Passwort eingegeben wird. Wenn du Daten von deinem Gerät aus der Ferne löschen kannst und das gerne tun würdest, sprich bitte zuerst mit einem*r Anwält*in, da in einigen Fällen das Löschen von Daten von einem beschlagnahmten Gerät als “behindern von Polizeiarbeit” strafrechtlich verfolgt werden kann.

Wie man verhindern kann, dass die Polizei an Informationen von beschlagnahmten Handys kommt:

  • Verschlüssele dein Handy! Das ist eine gute (und einfache!) Sache, unabhängig davon, ob du damit rechnest, mit der Polizei aneinander zu geraten oder nicht.
  • Nutze ein Passwort/ Code um es zu sperren! Ein sechsstelliger Code ist bereits viel schwieriger zu knacken als ein vierstelliger. Vermeide die Verwendung von biometrischen Entsperrfunktionen, da dein Handy dann von der Polizei oder anderen entsperrt werden kann, indem sie das Telefon vor dein Gesicht oder an deinen Finger halten.
  • Tipp: Hier sind ein paar Infos und Anleitungen zu den Themen Verschlüsselung und Passwörter:

Darf die Polizei mich durchsuchen?

  • Die Polizei hat jederzeit das Recht, deine Identität feststellen, d.h. sie darf nach deinem Ausweis verlangen.
  • Sie dürfen dich normalerweise aber nicht durchsuchen! Es sei denn, du stimmst dem zu. Vorsicht: Schweigen wird hier als Zustimmung gewertet. Wenn ein*e Beamte*r ankündigt, dich zu durchsuchen, musst du antworten, dass du damit nicht einverstanden bist. Wenn du z. B. sagst: “Ich bin mit einer Durchsuchung nicht einverstanden, ich widerspreche einer Durchsuchung”, dürfen sie dich nicht durchsuchen, außer:
    • Ihr seid an einem der so genannten “kriminalitätsbelasteten Orte” (oder “gefährlichen Orte”), d. h. in bestimmten Bereichen, in denen die Polizei mehr Befugnisse hat. Dazu gehört auch das Recht, Menschen ohne besonderen Grund durchsuchen zu dürfen. Hier ist eine Liste der aktuellen KbO’s in Berlin.
    • Du wirst verdächtigt, eine Straftat begangen zu haben (§102 StPO Strafprozessordnung), z.B. Drogen zu besitzen. In der Regel gilt aber die Unschuldsvermutung. Es muss also konkrete Anhaltspunkte dafür geben, dass du die Straftat begangen haben sollst (z.B. gelten rote Augen nicht als konkreter Hinweis).
    • Als Nicht-Verdächtige*r darf die Polizei dich nur durchsuchen, wenn sie Anhaltspunkte dafür hat, dass dies zum Finden einer verdächtigten Person oder zur Sicherung von Beweismitteln beitragen würde. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Polizei sieht, wie eine Person, die eine Straftat begangen hat, dir etwas übergibt, was für die Tat benutzt wurde.

Ein Hinweis zur (allgemeineren) Sicherheit während dem Filmen

  • Bitte denk während dem Filmen an deine eigene Sicherheit. Nicht nur in Bezug auf die Polizei, sondern auch in Bezug auf deine sonstige Umgebung. Während du filmst und die Kamera auf das Geschehen richtest, schau dich immer mal wieder um und achte auf deine Schritte während du dich bewegst. Vor allem, wenn du in der Nähe einer Straße bist, Gegenstände geworfen werden oder wenn Menschen rennen/ drängeln usw.
  • Halte bei Demonstrationen und Kundgebungen Ausschau nach möglichen Fluchtwegen.

Nach dem Vorfall

  • Wenn du der Ansicht bist, dass die Polizei unverhältnismäßige Gewalt angewendet oder gegen ein Gesetz verstoßen hat, kannst du eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen und manchmal auch Strafanzeige oder einen Strafantrag stellen. (Wichtig: immer beides einreichen, denn manche Dinge werden nur bearbeitet, wenn ein Strafantrag vorliegt. Dies muss innerhalb von 3 Monaten nach dem Vorfall geschehen). Denk dran, direkt nach dem Vorfall aufzuschreiben, woran du dich erinnerst (Gedächtnisprotokoll), da unser Gehirn Details schnell vergisst. Z.B.:
    • Zeitpunkt
    • Konkrete Handlungen aller beteiligten Personen
    • Informationen über andere Zeug*innen
    • Identifizierungs-Nummern der beteiligten Polizeibeamt*innen
    • Kennzeichen der Polizeifahrzeuge
  • Wenn du Fragen hast oder gerne Unterstützung hättest, kannst du dich an Initiativen wie KOP Berlin wenden und dich (rechtlich) beraten lassen. Diese erstellen auch Statistiken über Fälle von Polizeigewalt, die bei ihnen gemeldet werden, und können diese für Lobbyarbeit nutzen. Auch wenn du keine Anzeige erstatten willst oder anonym bleiben willst, kann es also hilfreich sein, Fälle dokumentieren zu lassen (z.B. ohne Namen).

Sichere Methoden, Dateien zu speichern und teilen

  • Wenn du noch in der Situation oder Umgebung bist, schick die Videos so schnell wie möglich an eine vertrauenswürdige Person, die nicht selber auch vor Ort ist (damit das Material nicht weg ist, falls dein Gerät noch beschlagnahmt wird). Verwende dafür einen sicheren Kommunikationskanal wie Signal!
  • Es ist besonders wichtig, die Dateien nach der Situation sicher abzulegen, wenn Behörden keinen Zugang zu dem gefilmten Material bekommen sollen (z.B. wenn auf den Videos andere Personen zu sehen sind – siehe oben). Es ist wichtig, dabei sowohl physische (z.B. Hausdurchsuchungen/ Beschlagnahmungen) als auch digitale Gefahren (z.B. Anfragen von Behörden an deinen E-Mail- oder Cloud-Provider, Dateien oder Informationen zu übermitteln) Gefahren zu beachten. Im Idealfall speicherst du das Videomaterial in einem verschlüsselten Container auf deinem Computer (den du z.B. mit Cryptomator oder Veracrypt erstellen kannst) oder in einer verschlüsselten Cloud (z.B. einer Nextcloud, die von einem vertrauenswürdigen Anbieter gehostet wird). Verschlüsselte Telefone sind leichter geknackt als verschlüsselte Container auf einem Computer. Sowohl der verschlüsselte Container als auch die verschlüsselte Cloud sind allerdings nur sicher, solange es keine “offene Tür” gibt: Pass auf, dass sich dein Browser nicht automatisch bei der Cloud anmeldet, du ein sicheres Passwort hast und dieses unbekannt bleibt. Verschlüsselte Container auf Computern sind nur im “geschlossen” Zustand verschlüsselt, also wenn du sie nicht selber mit dem Passwort geöffnet hast, um auf sie zuzugreifen.
  • Tipp: Hier sind ein paar Anleitungen, die beim Erstellen von Passwörtern helfen:
  • Lösche die Videos so schnell wie möglich von deiner Kamera/ deinem Handy, damit sie nicht in falsche Hände geraten, wenn du dein Gerät z.B. verlierst oder es zu einem späteren Zeitpunkt beschlagnahmt wird.
  • Wenn du Infos oder Dateien weitergeben willst, achte darauf, sichere Kanäle zu benutzen, wie z.B.:
    • Signal
    • Onionshare
    • Nextcloud
    • Verschlüsselte E-Mail
    • Dateien verschlüsseln (z.B. mit Cryptomator oder Veracrypt) und dann auf “normalen” Kanälen (E-Mail, Google Drive, ..) teilen (Passwort zum Entschlüsseln jedoch auf einen sicheren Weg teilen!)

Ist es illegal, Videos von Polizist*innen zu veröffentlichen?

  • Im Allgemeinen ist es illegal, Videos oder Bilder von Personen ohne deren Zustimmung zu veröffentlichen. Die Polizei nutzt diesen Umstand immer wieder, um die Veröffentlichung von Bildern und Videos zu verfolgen, in denen Polizist*innen abgebildet sind.
  • Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel:
    • wenn das “öffentliche Interesse” die persönlichen Rechte überwiegt
    • wenn das Video eher eine allgemeine öffentliche Szene als Einzelpersonen zeigt (einigen Faustregeln nach ist das der Fall, wenn mindestens 7-9 Personen zu sehen sind)
  • Bevor du etwas veröffentlichst, sprich mit einer*m Anwält*in oder Berater*in – um dich selber abzusichern aber auch, um sicher zu gehen, dass du anderen nicht schadest. Videomaterial ist z.B. in Gerichtsverfahren in der Regel hilfreicher, wenn es zuvor nicht von der Gegenseite gesehen oder veröffentlicht wurde. Wenn du ernsthaft darüber nachdenkst, ein Video oder Foto zu veröffentlichen, achte unbedingt darauf, dass das Material nur Dinge zeigt, die die Polizei belasten, und dass andere Personen nicht identifiziert werden können (insbesondere, wenn du nicht die Zustimmung von diesen Personen hast).

Bevor du ein Video veröffentlichst

Wenn du in Erwägung ziehst, Material zu veröffentlichen, mache dir bitte Gedanken über diese Punkte (sie gelten eigentlich in jedem Kontext):

  • Was ist das Ziel von der Veröffentlichung?
  • Gibt es irgendetwas in dem Video oder Foto, das unabsichtlich die Betroffenen der Polizeigewalt oder andere Anwesende gefährden könnte?
  • Es gibt Apps, mit denen Gesichter unkenntlich gemacht werden können. Aber denke dran, dass nicht nur Gesichter zur Identifizierung von Personen benutzt werden, sondern auch andere eindeutige Erkennungsmerkmale wie Tätowierungen oder Muttermale (und manchmal sogar Kleidung oder irgendetwas anderes, womit eine Person anderen Bildern oder Videoaufnahmen zugeordnet werden kann).
  • Bitte überlege, wie die Bilder auf Menschen wirken können, die sie sehen. Es ist wichtig, Triggerwarnungen vor gewaltvollen Inhalten hinzuzufügen.
  • Alle Fotos und Videos enthalten Daten, die als Metadaten bezeichnet werden. Das sind Daten, die die Quelle/ Aufnahmegerät, Zeit, Ort usw. sowohl von der Aufnahme als auch von Bearbeitungen der Dateien angeben. Metadaten können hilfreich sein um Material zu verifizieren, und es macht Sinn, eine Kopie der Originaldateien mit Metadaten aufzubewahren. Beim Veröffentlichen haben Metadaten aber wenig Vorteile und können gegen Personen verwendet werden, die an den Dateien beteiligt waren (gefilmt haben und/ oder die Dateien auf ihren Geräten hatten). Die großen Social-Media-Plattformen (Facebook, Twitter, Instagram) entfernen Metadaten automatisch, aber für andere Fälle und/oder um auf Nummer sicher zu gehen, solltest du Metadaten immer mit entsprechenden Tools entfernen, bevor du die Dateien veröffentlichst. Auf Social-Media-Plattformen ist wichtig zu beachten, dass deine Beiträge nicht automatisch mit Geodaten versehen werden. Du kannst dafür z.B. den Zugriff von Apps auf deinen Standort deaktivieren (hier gibt es Infos dazu in vielen Sprachen).
  • Markiere andere Leute nicht ohne deren (gut informierte) Zustimmung! Das kann Menschen identifizieren und Folgen haben (rechtlich, aber auch Reaktionen von Familie/ Arbeitgeber*innen/ sozialen Netzwerken, Ziel von Hetze und Hasstiraden werden, …).
  • Politisch konktroverse Inhalte können Aufmerksamkeit von gegnerischen politischen Lagern und gehässige, beleidigende, diskriminierende usw. Kommentare und Reaktionen mit sich bringen.

Der Guide war ein Projekt von FACQ Berlin als Teil des Bündnisses Go Film The Police. Riesigen Dank an Rechtsanwältin Maren Burkhardt fürs Korrekturlesen und an Axel für die Unterstützung bei der deutschen Übersetzung!

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